Schloss Rhedey – was Graf Dracula und die englische Königin verbindet …

Schloss Rhedey – wer weiß schon, dass hier die Ururgroßmutter der englischen Königin, Claudia Rhédey von Kis-Rhéde begraben liegt?  Im  18. Jahrhundert auf den Mauern einer mittelalterlichen Vorgängerburg errichtet, fiel es schon bald an die szeklerisch-ungarische Adelfamilie Rhédey von Kis-Rhede, die es in den Umbaumaßnahmen der Jahre 1759 und 1809 zu dem neobarocken Kleinod gestaltete,  das heute so markant am Ortseingang von Sângeorgiu de Pădure im Bezirk Mureş die Besucher begrüßt. Die Vorfahren der Familie waren mit sämtlichen Familien des europäischen Hochadels verwandt oder verschwägert, im Stammbaum finden sich auch mehrere Blutlinien, die zu dem berühmt-berüchtigten Vlad Ţepeş und seinem Vater Vlad II. Dracul führen.

Der erste Rhédey, der sich in Sângeorgiu de Pădure, zu ungarisch auch Erdöszentgyörgy und deutsch St. Georgen auf der Heide, niederließ, war der János Rhédey. Er kam aus Ungarn und zu seinen Nachkommen zählt Laszlo Rhedey, dem von seiner Ehefrau Agnes Inczédy de Nagy-Várad am 1. September 1812 in diesem so malerisch von Gärten und Wäldern umgebenen Schlösschen eine Tochter mit Namen Claudine geboren wurde. Dem einzigen Kind ließ man von Gouvernanten und Lehrern eine vorzügliche Ausbildung in Fremdsprachen und Musik angedeihen. Bereits im Alter von 15 Jahren wurde die jugendliche Claudine am Wiener Kaiserhof eingeführt. Nach den Beschreibungen war Claudine von ausgewiesener Schönheit, und ihre Anwesenheit blieb auch den Prinzen nicht unbeachtet. So lernte sie auch den Prinzen Alexander von Württemberg kennen, dessen Herz sie im Sturm eroberte. Die beiden verliebten sich auf den ersten Blick ineinander und fassten den Entschluss zu heiraten. Obwohl sich der alte Graf Franz Rhedey in Anbetracht des großen Standesunterschiedes der beiden mit aller Vehemenz gegen eine Verbindung aussprach, traten die beiden 1835, nach dem Tod des Grafen, vor den Altar. Für seine große Liebe verzichtete der württembergische Prinz auf jeglichen Erbanspruch und nahm den Adelstitel „Graf von Hohenstein“ an. Drei Kinder wurden dem Paar geboren: Claudia, Franz und Amalia.

Doch tragischer Weise hielt das Glück nicht lange an. Im Jahr 1841 – Claudine war gerade zum vierten Mal schwanger – wurde jäh das Leben der jungen Gräfin ausgelöscht, bevor es überhaupt richtig begonnen hatte. Über ihren Tod gibt es abweichende Berichte: entweder eine Fehlgeburt, gefolgt von einem Blutsturz oder ein Unfall mit einer Kutsche sollen zu ihrem Tod geführt haben. Eine besonders dramatische Version behauptet, sie sei während einer Kavallerieübung von durchgehenden Pferden zu Tode getrampelt worden. Den Leichnam Claudines überführte man heim nach Sângeorgiu de Pădure, wohin auch ihr Ehemann Alexander sich für den Rest seines Lebens zurückzog: ihn hatte der Tod seiner Gemahlin so gezeichnet, dass er unmittelbar danach den Wiener Kaiserhof auf immer verließ. In einem Bleisarg bettete man den Leichnam der Gräfin Hohenstein in der Familiengruft derer von Rhedey in der dem Schloss angrenzenden Reformierten Kirche zur ewigen Ruhe. Diese Gruft wurde allerdings, vermutlich im Zuge einer Pestepidemie, die in Transsilvanien wütete, zugemauert, und die Erinnerung über ihre Existenz verblasste. Erst 1935, anlässlich des Besuchs der Enkeltochter von Claudine, der Königin Mary von England, wurde die Gruft wiederentdeckt. Anhand eines Medaillons, das um den Hals des Leichnams geschlungen und durch ein Glasfenster im Sargdeckel sichtbar war, konnte man Claudines Überreste zweifelsfrei identifizieren.

1885, nach dem Tod Alexanders, erben vermutlich die drei Kinder des Paares das Schloss. Der einzige Sohn, Franz, war mittlerweile zum Herzog von Teck avanciert. Diesen Titel hatte er Queen Victoria von England zu verdanken, deren Cousine mit dem bezeichnenden Namen „Fat Mary“ er 1866 geehelicht hatte. Beide lebten deutlich über ihre Verhältnisse, und speziell Mary hielt sich ausgesprochen gern in Künstlerkreisen auf, zu denen auch enge Freunde des Dracula-Autoren Bram Stoker, ja sogar er selbst gehörten. Man fragt sich erstaunt, ob nicht deren transsilvanischer Ehemann das Vorbild von Graf Dracula gewesen sein könnte, wenn Bram Stoker den Grafen als großen, alten Mann (der sich übrigens durch das Blut adeliger englischer Damen zusehends verjüngt) mit langem, weißen Schnurrbart und Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet schildert, mit scharfem Bogen der dünnen Nase, markant gebogenen Nasenflügeln, hoher, gewöbter Stirn, um die Schläfen herum schütterem, ansonsten aber üppig sprießendem Haar, dichten und buschigen Augenbrauen, fest geschlossenem Mund, großen, oben spitz zulaufenden Ohren, einem breiten und kräftigen Kinn, einer außerordentlichen Blässe und den spitz zulaufenden Zähnen. Dem sich als Bojaren bezeichnenden Grafen legt Stoker Worte in den Mund, die genauso gut von Franz von Teck stammen könnten: er sei Szekler, gefolgt von einem langen geschichtlichen Abriss über deren Wesen und glorreicheTaten, und er sei Mitglied der Draculas, einer Familie, die das Herzblut, Hirn und Schwert der Szekler gewesen sei. Nun waren Vlad II. und der Vlad III. mit Sicherheit keine Szekler, Franz von Teck aber konnte sich mit Fug und Recht sowohl als Szekler und ungarischer (und deutscher) Adeliger mit den beiden Vlads als Vorfahren bezeichnen. Wissenschaftlich nachzulesen unter folgendem Link: http://www.academia.edu/3341901/Vlad_Tepes_Invades_England

Franz von Teck kam auf ungeahnte Weise, während Bram Stoker seinen Roman verfasste, zu ungeahntem Aufstieg: Seine Tochter Mary heiratete den kommenden König Georg V., ihre Enkelin ist die amtierende Queen Elizabeth II.

Offensichtlich endete aber auch mit Franz von Teck die Geschichte des szeklerisch-ungarischen Adelsgeschlechtes in Transsilvanien. Hatten die von Tecks 1883 auf der Flucht vor Gläubigern noch England verlassen, kehrten sie 1885 dorthin zurück. Vermutlich wurde zu diesem Zeitpunkt das ererbte Anwesen in Sângeorgiu de Pădure aufgegeben und zu Geld gemacht, bevor Graf Franz von Teck (Dracula?) nach England aufbrach.

Justament zu diesem Zeitpunkt gelangte das Schloss in den Besitz der neureichen sächsischen Familie Schuller, die ihrerseits den Besitz 1935 an die Gemeinde Sângeorgiu de Pădure weiterverkaufte. Nachdem das Schloss einige Jahre lang einen Teil der Gemeindeverwaltung beherbergte, wurde es 1948 in eine Schule umgewandelt, doch inzwischen ist auch diese an einem anderen Ort installiert.

Gegenwärtig wird das Schloss aufwendig renoviert und restauriert: die endgültige Verwendung ist noch nicht geklärt, aber es steht zu hoffen, dass dieser architektonische und historische Schatz noch vielen künftigen Besuchern seine Geheimnisse offenbart.

Text: Heike Lammers

Bilder aus Siebenbürgen