Vor ungefähr acht Jahrhunderten wurde das siebenbürgische Städtchen Heltau (Cisnadie) gegründet. Am Fuß des Cindrel- oder Zibins-Gebirges gelegen, war Heltau – so die ab dem Mittelalter belegbare Ortsbezeichnung – bekannt und berühmt für die exquisiten Produkte seiner Handwerksbetriebe. Man fertigte landwirtschaftliche Gebrauchsgegenstände wie Sensen und Sicheln, von besonderer Qualität aber waren vor allem die Wollstoffe, die in Heltau hergestellt und verarbeitet wurden. Kein Wunder also, dass im nahegelegenen Sibiu/Hermannstadt die dortigen Handwerksleute immer wieder ein klein wenig neidisch auf den kleinen Nachbarn schielten! Mit schöner Regelmäßigkeit suchten sie nach Möglichkeiten, die Heltauer zu übertrumpfen.
Diese aber wandelten ab dem 18. Jahrhundert ihre Werkstätten in Manufakturen und Fabriken um. Auf diese Weise entwickelte sich Cisnadie im 20. Jahrhundert, vor allem auch in der kommunistischen Ära, zu einem regelrechten Zentrum der Textilindustrie. Die hier hergestellten Teppiche und Bodenbeläge aus Wolle fanden Abnehmer in der gesamten Welt. Heutzutage öffnet sich die Stadt mehr und mehr dem Tourismus: eine Landschaft, von der man andernorts nur träumen kann, und das fröhliche Kolorit der Gebäude-Ensembles faszinieren jeden Besucher!
Schon am Ortseingang drängt sich ein wuchtiger Turm ins Blickfeld: er gehört zur protestantischen Wehrkirche, die den Ortskern bildet. Der Glockenturm, wie ihn die Heltauer nennen, galt in seiner Entstehungszeit, dem Spätmittelalter, als große Neuerung – war er doch nicht nur der erste Turm mit Stundenuhr in Transsilvanien, sondern auch der erste Turm östlich von Wien, der mit einem Blitzableiter ausgestattet wurde.
Im Stil der späten Gotik präsentiert sich die Kirche. Die großzügige Anlage fußt auf einem romanischen Vorgängerbau aus dem 14. Jahrhundert und bis heute zeugen viele Bauelemente von ihrer eindrucksvollen Wehrhaftigkeit und dem wertvollen Dekor. Wie könnte es anders sein: auch von Märchen und Legenden aus seiner Jahrhunderte währenden wechselvollen Geschichte weiß der Kirchenbau zu erzählen. Befragen Sie die Kirchendiener: Gerne gehen diese mit Ihnen auf Entdeckungstour durch Raum und Zeit der Kirchen-Historie.
Falls Sie stattdessen lieber einen Blick auf die reiche Tradition der Textilindustrie in Heltau werfen möchten, empfiehlt sich ein Besuch der Ausstellung „Istoricul industriei textile”/“Die Geschichte der Textilindustrie“ im örtlichen Museum. Zu den Exponaten gehören Zunftfahnen, Werkzeuge zur Wollverarbeitung, Handwerksutensilien, ein Webstuhl, sowie verschiedene Dokumente und Modelle zur Teppichherstellung.
Wer dann noch Lust auf Sport hat: Cisnadie/Heltau ist der perfekte Ausgangsort für eine Spritztour entlang des weitverzweigten Radwegenetzes, durch die das Städtchen umgebende Hügellandschaft.
Autor: Heike Sigrid Lammers